Der Gemeinderat, so liest man im amtlichen Newsletter vom 11. April, sucht zwei bis vier Interessenten für die Liegenschaftenkommission. Sie sollen bereits Ende Mai, also noch vom «alten» Gemeinderat, gewählt werden. Das wirft doch einige brisante Fragen auf.

Die Liegenschaftenkommission gehört zu den wichtigsten und einflussreichsten Fachkommissionen der Gemeinde: Sie ist «für den Bau, den Betrieb und Unterhalt der Gemeindeliegenschaften verantwortlich und unterstützt den Gemeinderat als Fachgremium bei Umbau- und Neubauprojekten». Mit anderen Worten: Sie ist zusammen mit der Baukommission hauptsächlich zuständig für die zukünftige bauliche Entwicklung der Gemeinde, etwa bei grossen Umbau- und Neubauprojekten wie dem Erlibacherhof, dem Dienerhaus oder der Winkelbadi. Als grösste Liegenschaftenbesitzerin der Gemeinde beeinflusst sie über Vermietung und Mietpreise aber auch die soziale Durchmischung der Erlenbacher Bevölkerung.

Im Gegensatz zur Baukommission werden die Mitglieder der Liegenschaftenkommission neuerdings nicht mehr vom Volk gewählt, sondern vom Gemeinderat bestimmt und eingesetzt. Der Gemeinderat ist  in der siebenköpfigen Kommission selber mit zwei Personen vertreten.

Die Suche nach Interessenten für die Liegenschaftenkommission zum jetzigen Zeitpunkt ist fragwürdig. Warum, fragt man sich, will der derzeitige, also der «alte» Gemeinderat unbedingt noch schnell eine neue Liegenschaftenkommission für die kommenden Jahre zusammenstellen? Warum überlässt er diese Wahl nicht dem künftigen Gemeinderat, der schliesslich mit der Kommission zusammenarbeiten muss? Gibt es triftige Gründe für diese Eile?

«Die Liegenschaftkommission muss handlungsfähig bleiben»

Auf Anfrage erklärt der Gemeindeschreiber Daniel Keibach, dass derzeit zahlreiche grössere Projekte am Laufen seien. Um diese «nahtlos» übernehmen zu können, braucht es eine gewisse Übergabefrist bzw. das Wissen muss angeeignet werden. Mit einer Wahl Ende Mai hätte man diese Zeit.» Da es, so Keibach, voraussichtlich zu einem zweiten Wahlgang komme und die neuen Gemeinderäte eine gewisse Einarbeitungszeit bräuchten, seien wichtige Personalentscheide des neuen Gemeinderates folglich erst nach der Sommerpause zu erwarten.

Das ist, mit Verlaub, eine etwas dürftige Erklärung, denn: Dem Vernehmen nach haben sich die derzeitigen Mitglieder der Liegenschaftenkommission bereit erklärt haben, die anstehenden Projekte so lange weiter zu betreuen, bis der neue Gemeinderat sich eingearbeitet hat und sich in der Lage fühlt, eine neue Liegenschaftenkommission zu bestimmen. Es besteht also nicht der geringste Grund zur Eile.

Laut Keibach besteht die Möglichkeit, dass der jetzige Gemeinderat bloss 2 oder 3 Mitglieder wählt. Es wäre dann denkbar, «dass der (neue) Gemeinderat – wenn nötig – das Team so belässt, verändert oder ergänzt.» Im «unwahrscheinlichen Fall, dass der (zukünftige) Gemeinderat keinerlei Wert auf einen Knowhow-Transfer in der Liegenschaftenkommission» lege, habe er grundsätzlich die Möglichkeit, alle vom (alten) Gemeinderat gewählten Mitglieder auszuwechseln. Aber:» «Rein objektiv und sachorientiert betrachtet, überwiegen die Vorteile einer Wahl durch den (alten) Gemeinderat. Die Aussicht, während Wochen keine (handlungs- und einsatzfähige) Liegenschaftenkommission zu haben, wäre die Alternative.»

Eine Mischelei des derzeitigen Gemeinderates?

In manchen Ohren klingen diese Sätze wie eine Drohung an die künftigen Gemeinderäte, ja nicht auf den dummen Gedanken zu kommen, die vom alten Gemeinderat gewählten Kommissionsmitglieder auszuwechseln, weil dies die Liegenschaftenkommission dann wochenlang lahmlegen würde.

Das aber ist sowohl rein objektiv wie auch rein sachorientiert eher falsch, weil – wie erwähnt – die bisherigen Kommissionsmitglieder durchaus bereit sind, diese Kontinuität zu wahren.

So könnte man denn zur ketzerischen Ansicht kommen, der jetzige Gemeinderat wolle im letzten Moment noch dafür sorgen, dass die künftige Liegenschaftenkommission auch weiterhin in seinem Sinn funktioniert.  Denn es könnte ja sein, dass der neue Gemeinderat eine etwas andere, sozialere Liegenschaftenpolitik betreiben will und die Liegenschaftenkommission entsprechend dieser Bedürfnisse zusammensetzen möchte.

Mit der Möglichkeit, zwei, drei oder vier neue Kommissionsmitglieder zu bestimmen, hält sich der alte Gemeinderat mehrere Optionen offen, um die künftige Zusammensetzung der Kommission ganz in seinem Sinn zu beeinflussen. Bleibt die Zusammensetzung des Gemeinderates nach den Wahlen in etwa gleich, genügen zwei neue Kommissionsmitglieder, da der Gemeinderat in der siebenköpfigen Kommission ebenfalls mit zwei Personen vertreten ist. Sollten die Grünliberalen und Parteilosen im neuen Gemeinderat allerdings stärker vertreten sein oder gar eine Mehrheit erringen, bräuchte es dagegen eben vier neue Mitglieder, um die bisherige Kommissions-Mehrheit zu sichern.

Christian Rentsch