Am 15. Mai wird auch über eine Einzelinitiative von Nik Winkler abgestimmt. Sie fordert, dass gemeindeeigene Liegenschaften nur noch im  Baurecht abgegeben werden dürfen. Warum dies?

Die Initiative von Nik Winkler, das muss man wissen, ist unter anderem auch eine Reaktion auf den missglückten Vorschlag des Gemeinderates im Juni vorigen Jahres, drei gemeindeeigene Liegenschaften zu verkaufen, darunter  das 240 Jahre alte, unter Denkmalschutz stehende «Haus Friedau» (oben im Bild), das zusammen mit dem «Goldenen Kreuz» zu den markantesten Häusern im Dorfzentrum gehört. Alle drei Verkäufe wurden von der Gemeindeversammlung nach heftigen Protesten und viel Kopfschütteln mit grosser Mehrheit abgelehnt – eine krasse Schlappe für den Gemeinderat, den Liegenschaftenvorstand Peter Keller und auch die FDP, welche diese Verkäufe befürwortete.

Das Liegenschaftenkonzept – viel warme Luft

Indirekt ging es aber schon damals um weit mehr als um die drei Liegenschaften, sondern vor allem um die vom Gemeinderat beschlossene Liegenschaftenstrategie von 2016 und um das Liegenschaftenkonzept von 2018, zwei mit viel warmer Luft angereicherte Papiere. So heisst es etwa im Strategiepapier: «Verkäufe von Liegenschaften erfolgen aus wichtigem Grund und mit grosser Zurückhaltung.» Und: «Es wird auf eine ausreichende Grundstücksreserve geachtet». Und schliesslich: «Das Portfolio der Gemeinde wird im öffentlichen Interesse angemessen erweitert. Das Eigentum wird durch die Abgabe im Baurecht gesichert.» Wie der Trick funktioniert, das Portofolio durch Verkäufe zu erweitern, bleibt vorderhand ein streng gehütetes Geheimnis des Gemeinderates.

Im Liegenschaftenkonzept ist der «Erhalt des Ortsbildes» eines der zentralen Bewertungskriterien. Bei allen drei Liegenschaftenverkäufen aber blieb von diesen hehren Grundsätzen kaum etwas übrig: «Der Verkauf der Objekte»,  hiess es in der gemeinderätlichen Begründung in entlarvender Schlichtheit, «dient der Bereinigung des Finanzliegenschaftenportfolios.» Von «Wichtigkeit» und Zurückhaltung» keine Spur.

Zur gründlichen «Bereinigung» des Portofolios hatte der Gemeinderat im vergangenen Jahr eine Immobilien-Software gekauft, die den gesunden Menschenverstand durch einen undurchsichtigen, rein betriebswirtschaftlich orientierten Algorithmus ersetzt. Die weder Rücksicht nimmt auf den Erhalt des Ortsbildes noch darauf, dass in diesen Häusern oft seit 50 Jahren Menschen wohnen, die sonst im Hochpreis-Erlenbach kaum eine andere Mietwohnung finden würden. Dass die Gemeinde mit ihrer Liegenschaftenpolitik, ihren rund 100 Mietwohnungen, auch für günstigen Wohnraum und eine gute Durchmischung der Bevölkerung sorgen soll, war denn auch eines der wichtigsten Argumente gegen den Verkauf der Liegenschaften.

Liegenschaften nur im befristeten Baurecht

Nik Winklers Argumente

  • Grund und Boden sind nicht wachsende, beschränkte Güter, folglich mit stetigem Wertzuwachs.
  • Grund und Boden wird der ungebremsten Spekulation entzogen.
  • Behindert den Schwarzgeldmarkt.
  • Begünstigt ein faireres Käuferangebot.
  • Fördert die Planungssicherheit der Gemeinde.
  • Grund und Boden bleibt langfristig im Besitz der Gemeinde. Sie kann von den steigenden Landpreisen beim Heimfall profitieren.
  • Die Kostensteigerung der Liegenschaften kann gebremst werden, damit auch die Mittelschicht wieder in Erlenbach wohnhaft werden kann.
  • Die gewünschte Durchmischung der Bevölkerung istbesser erreichbar,
  • Der Zusammenhalt in der Gemeinde wird verbessert und mögliche soziale Konflikte können einfacher abgebaut werden.

Nun also Nik Winklers Einzelinitiative. Sie verlangt, dass in der Gemeindeordnung festgeschrieben wird, dass «die Veräusserung von gemeindeeigenen Liegenschaften ausschliesslich im Baurecht erfolgen» soll und der «Verkauf (dieses Baurechts) an den Meistbietenden generell zu unterlassen» sei. Das soll sowohl für jene Liegenschaften gelten, die der Gemeinderat in eigener Kompetenz verkaufen kann – Beträge bis zu 2 Millionen Franken – wie auch für jene Geschäfte, über welche die Gemeindeversammlung entscheiden muss.

Gemeinderat empfiehlt Ablehnung

Und was sagt der Gemeinderat dazu? Er empfiehlt den Stimmbürgerinnen und -bürgern, die Initiative abzulehnen. Stichhaltige Argumente hat er nicht allzu viele. Die Liegenschaftenkommission und der Gemeinderat würden, so heisst es im «Abstimmungsbüchlein», bei allfälligen Liegenschaftsverkäufen ja «eine Abgabe im Baurecht ohnehin als Option» prüfen. Bisher ist allerdings noch in keinem Fall das Resultat einer solchen Prüfung publiziert worden, und erst recht nicht, wie das Resultat zustande gekommen ist – falls es überhaupt je einen solchen Fall gegeben hat.

Und, so der Gemeinderat weiter: Bei Bereinigungen von Parzellen, Sanierungen von Strassen, Trottoirs und Wegen könne ein Verkauf oder Tausch durchaus sinnvoll sein. Durch ein Verkaufsverbot würden solche «Bereinigungen» unnötig erschwert oder gar verunmöglicht. Nik Winkler meint auf Anfrage, dass solche kleinen Tauschgeschäfte und Bereinigungen nach wie vor möglich seien. Ihm gehe es vor allem darum, dass der «Grund und Boden auf lange Sicht im Besitz der Gemeinde» bleibe. Das wird allerdings in seiner Einzelinitiative nicht explizit formuliert, ebensowenig wie etwa die Dauer von Baurechtsverträgen.

«Gemeinderat entscheidet immer im Sinne des Gemeinwohls»

Im Weiteren argumentiert der Gemeinderat, Verkäufe müssten tatsächlich nicht immer unbedingt an den Meistbietenden erfolgen; es komme eben auf das Objekt, die Grösse und Verhältnisse der potenziellen Käuferschaft an. Aber, so heisst es im Abstimmungsbüchlein gleichsam als unbestrittene Selbstverständlichkeit, «der Gemeinderat entscheidet immer im Sinne des Gemeinwohls.» Bloss, fragen wir: Was ist das Gemeinwohl? Günstiger Wohnraum? Die gute Durchmischung der Bevölkerung? Der Erhalt des Ortsbildes? Oder die zwei, drei zusätzlichen Millionen in der Kasse einer der reichsten Gemeinden der Schweiz?

Nicht ganz den grundsätzlichen Glaubensätzen einer liberalen Demokratie folgt auch das folgende Argument des doch stark bürgerlich besetzten Gemeinderates: «Mit einem allgemeinen Verkaufsverbot für die Gemeindeversammlung werden die demokratischen Rechte stark eingeschränkt.» Gemeinhin, meinen wir, gelten Volksabstimmungen, zumindest ausserhalb von Erlenbach, als urdemokratische Volksrechte, auch wenn es die Exekutiven manchmal lieber hätten, sie könnten allein bestimmen, was für uns, das gemeine Volk gut ist.

Christian Rentsch