Vorderhand steht erst das Baugerüst der künftigen Überbauung auf dem Migros-Parkplatz

Ein M schlechter

Wenn es nach der Migros-Genossenschaft Zürich geht, soll in den kommenden Jahren in unmittelbarer Nähe zum höchst umstrittenen Baukoloss auf dem SBB-Bahnhofgelände eine weitere überdimensionierte Überbauung entstehen. Ob das für Erlenbach gut ist, interessiert die beiden Konzerne nicht. Uns aber schon.

Seit einigen Wochen ist es auf dem Parkdeck der Erlenbacher Migros-Filiale ausgesteckt: Das Baugespann für zwei fünfstöckige Wohnblöcke mit insgesamt fast dreissig Wohnungen und einigen kleineren Verkaufs- und Gewerbeflächen. Wird die Migros-Überbauung und der sechsstöckige, rund 90 Meter lange Riegel auf dem SBB-Gelände mit rund 36 Kleinwohnungen und mehreren Läden realisiert, verliert der ganze Ortsteil noch etwas mehr von seiner ehemals dörflichen Struktur und mutiert weiter zu einer x-beliebigen Vorstadtsiedlung mit ihrer typischen langweiligen, einheitlichen Schuhschachtel-Architektur. Und die jetzt schon prekäre Verkehrssituation würde sich noch zusätzlich verschlechtern.

Eine Einzelinitiative gegen den «Koloss»

Gegen die SBB-Überbauung hat der ehemalige Dorfarzt Hansueli Zürcher, dessen Liegenschaft an der Drusbergstrasse massiv beeinträchtigt würde, Ende März eine Einzelinitiative eingereicht (Für weitere Informationen hier klicken). Sie verlangt eine Änderung des öffentlichen Gestaltungsplans «Bahnhofstrasse» aus dem Jahr 2012. Falls der Gemeinderat die Initiative für gültig erklärt und eine Volksabstimmung darüber zulässt, wird der Riegel zumindest in seiner jetzt geplanten Grösse aller Voraussicht nach nicht gebaut werden können. Denn ausser der SBB hat wohl niemand in Erlenbach ein Interesse daran, das Dorfzentrum aus puren Profitgründen noch weiter zu verhässlichen. Vorderhand aber hat die SBB noch nicht einmal ein konkretes Baugesuch eingereicht.

29 Wohnungen und 155 Parkplätze

Anders die Migros Genossenschaft. Sie hat ihr Baugesuch bereits Anfang April eingereicht. Sie rechnet damit, dass die Baukommission die Baubewilligung im Lauf des Sommers erteilt. Wenn dagegen rekurriert wird, womit zu rechnen ist, wird es allerdings bis zum Baubeginn noch eine Weile länger gehen.

Geplant sind auf dem derzeitigen Parkplatz zwei Gebäude mit je vier Vollgeschossen und einem Attikageschoss. Ob die 29 2.5- und 3.5-Zimmerwohnungen vermietet oder verkauft werden, ist noch nicht entschieden. Dazu kommt eine mehrstöckige, weitgehend unterirdische Parkgarage für 155 Fahrzeuge, einerseits für die Migros- und Denner-Kunden, andererseits für die Bewohner der beiden Wohnblocks. Plus 86 Veloabstellplätze.

Noch prekärere Verkehrsverhältnisse

Damit verschärft sich vor allem die jetzt schon prekäre Verkehrssituation massiv, weil der Ein- und Ausgang zu den Migros- und Denner-Parkplätzen gegenüber heute weiter in Richtung Seestrasse verschoben wird. Warten vier Autos vor dem Rotlicht der Einmündung in die Seestrasse, was oft der Fall sein wird, ist die Zu- und Wegfahrt der Garage versperrt. Und: Auf der Kreuzung von Bahnhof- und Drusbergstrasse neben der jetzigen Migros-Ausfahrt drängeln sich dann die Kunden und Anlieferer der drei Grossverteiler Migros, Denner und Coop, die Benutzer der SBB-Park+Ride-Anlage, die Bewohnerinnen und Bewohner der neuen Wohnblocks und der Durchgangsverkehr samt Fussgänger-, Velo- und Busverkehr.  Das Verkehrschaos ist also bereits vorprogrammiert, zumal die Ein- und Ausfahrt zur SBB-Park+Ride-Anlage und den Parkplätzen der «Riegel»-Bewohner an die denkbar unübersichtlichste Stelle zu liegen kommt.

Da hilft auch nichts, dass die Migros-Mediensprecherin gemäss Zürichsee-Zeitung meint, die Überbauung werte den Standort am Bahnhof und den Zugang zum Laden auf. Natürlich, die beiden Parkdecks beim Bahnhof und bei der Migros sind auch nicht von erhabener Schönheit. Bloss, reicht das schon aus, um sie durch noch etwas hässlicheres zu ersetzen? Zwar sehen die Skizzen und Modelle der Migros-Überbauung ganz hübsch und freundlich aus, bloss verraten sie nicht, was man dann zu sehen bekommt, wenn sie dereinst einmal gebaut sind.

Die kleinen «Täuschungsmanöver»

Auf der Seitenansicht sehen die beiden Gebäude aus, als seien sie weder sonderlich klotzig noch sonderlich hoch, geschickt unterbrochen durch eine Lücke, welche die ganze Überbauung flacher aussehen lasst, als sie wirklich ist.

Auch durch den verniedlichenden Blick von oben und die geschickte Wahl der Perspektive, die den Vergleich mit den höchsten Gebäuden in der Umgebung verunmöglicht, täuscht das Modell den Betrachter über die Höhe der Gebäude, ohne wirklich zu lügen.

So dilettantisch diese Skizze auch sein mag, so zeigt sie doch in etwa die Dimensionen, wie man sie dereinst als normale Fussgängerin, als normaler Fussgänger sehen wird.

Christian Rentsch