Grünes Licht für das Verkehrschaos
Schöne Aussichten: In Zukunft werden sich doppelt so viele Fahrzeuge gegenseitig im Weg stehen
Vor einigen Tagen hat die Erlenbacher Bau- und Planungskommission das Baugesuch der Migros-Genossenschaft für den Neubau von zwei Wohnblöcken auf dem Gelände des derzeitigen Parkplatzes genehmigt. Mit dem Neubau würde sich die heute schon prekäre Verkehrssituation in diesem Bereich noch einmal massiv verschärfen.
Man erinnert sich: Die geplante Migros-Überbauung umfasst zwei fünfstöckige Wohnblöcke mit insgesamt 29 Wohnungen und einigen kleineren Verkaufs- und Gewerbeflächen. Plus eine mehrstöckige, weitgehend unterirdische Parkgarage für 153 Fahrzeuge, einerseits für die Migros- und Denner-Kunden, andererseits für die Bewohnerinnen und Bewohner der beiden Wohnblöcke. Dazu kommen 86 Veloabstellplätze.
Am 13. September hat die Baukommission das Projekt ohne grössere Auflagen genehmigt. Zwar verfügt die Baubehörde in ihrem 27seitigen Baurechtsentscheid zahlreiche kleine und kleinste Detailänderungen und macht eine Reihe von kleinen Auflagen – so etwa, dass «für die Fernablesung der Wasserzähler zwischen der Wasseruhr und der Zählerverteilung ein Kunststoffrohr KRF M 20 mit einem Kabel U72 1x4x0.8 zu verlegen» sei, oder «der seitliche Abstand zwischen Lift-Schachttüren und Treppenabgang mindestens 60 cm betragen» müsse. Zahlreiche Vorschriften betreffen lediglich Massnahmen während der Bauzeit. Insgesamt aber hat die Baubehörde nichts Substanzielles gegen den Bau der beiden Wohnblöcke einzuwenden. Und auch der Kanton, der einiges mitzureden hat, gab schon am 23. August grünes Licht. Alles paletti, also?
Dem Baurecht ist die Zukunft egal
Leider nein. Zwar sind vermutlich alle baurechtlichen Abklärungen bis ins kleinste Detail korrekt erfolgt, die Baugenehmigung also völlig baurechtskonform. Bloss: Offensichtlich genügt das Baurecht nicht, um völlig absehbare ortsplanerische Fehlentwicklungen zu verhindern. Im Gegenteil, es verhindert, dass die Baukommission, die ja auch eine Planungskommission sein will, ihre planerische Arbeit im Dienst einer vernünftigen Dorfentwicklung machen kann. Das Baurecht kümmert sich nur um den einzelnen Bau, nicht aber, wie dieser Bau seine Umgebung, seinen Kontext beeinflusst. Und ob er seiner Umgebung eine völlig ungewollte künftige Entwicklung aufzwingt.
Alles steht sich gegenseitig im Weg
Denn: Man braucht kein Verkehrsexperte zu sein, um vorauszusehen, dass sich die jetzt schon prekäre Verkehrssituation noch massiv verschlechtern wird.
Zum einen deshalb, weil die Ein- und Ausfahrt des Migros-Parkhauses noch näher zur Lichtsignalanlage an der Seestrasse verschoben wird. Das hat Folgen: Warten vor dem Rotlicht nur schon mehr als vier Fahrzeuge, ist der Zugang zum Parkhaus blockiert, zumal die Strasse für eine Einspurstrecke von der Seestrasse her zu schmal ist.
Noch wesentlicher aber wird die geplante SBB-Überbauung das Verkehrsaufkommen und den Verkehrsfluss beeinflussen. Im fünfstöckigen SBB-Wohn- und Gewerbehaus sollen 36 Wohnungen entstehen, die derzeitige P+R-Anlage wird in eine zweistöckige Tiefgarage mit 111 Abstellplätzen versenkt, – fast doppelt so vielen wie heute. Ein- und Ausfahrt zum SBB-Parkhaus liegen dann direkt am unübersichtlichsten Platz von ganz Erlenbach, an der Kreuzung vis-à-vis dem bestehenden Migros-Gebäude. Selbst wenn der umstrittene SBB-Klotz dank Einsprachen etwas redimensioniert werden sollte, ist die künftige Zunahme des Verkehrs an dieser Stelle enorm.
Auf der Kreuzung steht sich dann alles gegenseitig im Weg: die Fahrzeuge der jetzigen P+R-Anlage mitsamt den neuen Bewohner- und Besucherparkplätzen, der Kunden-, Bewohner- und Besucherverkehr der Migros-Überbauung, der Durchgangsverkehrs von der Drusberg-, Bahnhof- und Seestrasse, die wegfahrenden Autos der Denner-Kunden, die schwerfällig manöverierenden Lastwagen von Migros, Denner und Coop und die Fahrzeuge der lokalen Buslinien. Dabei ist noch nicht einmal an die Fussgänger gedacht, die sich auch noch irgendwie durch das ganze Tohuwabohu durchzwängen müssen. Kurz: das totale Verkehrschaos.
Das Baurecht verhindert eine sinnvolle Zukunftsplanung
Gewiss, formal kann man der Erlenbacher Bau- und Planungskommission nichts vorwerfen; sie hat vermutlich alle gesetzlichen Vorgaben und Anforderungen bis aufs letzte Tüpfelchen abgeklärt. Bloss hilft das der Erlenbacher Bevölkerung nicht weiter. Wenn das Verkehrschaos in ein paar Jahren ausbricht, wird man sich fragen, warum es offenbar unmöglich war, das Bauvorhaben so zu gestalten, dass die völlig absehbare Fehlentwicklung an diesem neuralgischen Punkt hätte vermieden werden können.
Christian Rentsch
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