Der Gemeinderat beschliesst Sofortmassnahmen

Wie viele andere Gemeinden auch  hat der Erlenbacher Gemeinderat eine Reihe von vorsorglichen Sofort-Massnahmen  beschlossen, um einer allfälligen Energie-Mangellage zu begegnen. Sie betreffen allerdings ausschliesslich die gemeindeeigenen Liegenschaften und die Weihnachtsbeleuchtung. Als nächste Aufgabe steht wohl die Ausarbeitung eines langfristigen Energiekonzepts auf der Traktandenliste.

Spätestens seit die Energieministerin und der Wirtschafts- und Bildungsminister uns beraten, wie wir energiesparend duschen, kochen und backen sollen, seit die Zeitungen tagein-tagaus über den drohenden Energiemangel im kommenden Winter berichten, und seit eine (laut»Blick»)auf 10 Millionen konzipierte Inseratenkampagne uns klarmachen will, was sich längst bis ins hinterste Bergdörfchen herumgesprochen hat, nämlich dass «jede Kilowattstunde zählt», seitdem wissen wir: Die Lage ist ernst.

Schon vorher, aber jetzt erst recht, jagen sich auf Bundes-, Kantons- und Gemeindeebene die Vorschläge und Massnahmen, wie die Schweiz eine drohenden Energiekrise vermeiden kann. Dabei geht es weniger um freiwillige individuelle Massnahmen als vielmehr um die Zukunft vieler Wirtschaftsunternehmen und – noch wichtiger – um das Erreichen der Pariser Klimaziele.

Keine Weihnachtsbeleuchtung

Wie viele andere Gemeinden hat jetzt auch der Erlenbacher Gemeinderat eine Reihe von Sofortmassnahmen beschlossen. Im Detail:

  • Das Gemeindehaus und alle anderen von der Gemeinde genutzten Liegenschaften werden nicht wärmer als 19°C geheizt. Die Senkung der Raumtemperatur um ein Grad verringert den Energiebedarf um 5-6%.
  • In den Schulhäusern oberer und unterer Hitzberg, welche über eine Pelletheizung verfügen, liegt der Zielwert bei 20°C.
  • Beim Hallenbad Im Allmendli wird die Wassertemperatur um 2°C reduziert.
  • Auf das Anbringen der Weihnachtsbeleuchtung wird verzichtet. (Eine Ausnahme soll bei den beiden Weihnachtsbäumen bei der Bäckerei Wick und beim Parkplatz am Eingang zum Unterdorf gemacht werden.)
  • An allen Arbeitsplätzen der Verwaltung wird der Standby-Verbrauch auf ein Minimum reduziert und alle nicht benötigte Geräte und Lichter ausgeschaltet.

Auch wenn unklar bleibt, wie viele Kilowattstunden dadurch eingespart werden – mit diesen Massnahmen liegt Erlenbach vermutlich etwa im Durchschnitt vergleichbarer Gemeinden. Und richtig ist sicher auch, dass der Gemeinderat im Gegensatz zu anderen Gemeinden bis auf Weiteres darauf verzichtet, die Strassenbeleuchtung während der Nachstunden abzuschalten, auch wenn während der Nacht auf den Erlenbacher Strassen wenig los ist: Sicherheit geht vor. Abzuklären wäre allenfalls, inwiefern die Gemeinde die Möglichkeit hat, die nächtlichen Schaufensterbeleuchtungen und elektrisch betriebenen, beleuchteten Plakatwände zu reglementieren, wie es bisher bloss einige wenige Gemeinden beschlossen haben. Oder die Beheizungen von privaten Swimmingpools während der Wintermonate zu verbieten, wie es die deutsche Bundesregierung kürzlich in einer Energiesparverordnung festgelegt hat.

Erlenbach braucht ein langfristiges Energie-Konzept

Mit den Sofortmassnahmen hat der Gemeinderat allerdings erst die Hälfte seiner Aufgaben erledigt. Was als Nächstes ansteht, ist wohl die Erarbeitung eines langfristigen Energiekonzepts. Denn wie auch immer die allfällige Energiemangellage in diesem Winter bewältigt wird: Ein Zurück zum bisherigen «Normalzustand» wird es nicht geben. Wenn die – auch klimawirksame – Energiewende Erfolg haben soll, müssen neben Bund und Kantonen auch die Gemeinden solche langfristige Energiekonzepte erarbeiten. Diese umfassen neben Fördermassnahmen und Sparreglemente auch die Bauzonenordnung, die Bauvorschriften und – Verbote. Denn finanzielle Anreize und Appelle an die Vernunft der Bürgerinnen und Bürger, freiwillig Energie zu sparen, sind bisher nicht sonderlich wirkungsvoll geblieben. (Jedenfalls ist die frohe Botschaft, der Stromverbrauch habe sich seit dem Anfang der Kampagne um 13 Prozent verringert, wohl eher Wunschdenken als Realität. Denn der aktuelle Stromverbrauch ist nicht bloss vom Sparwillen der Bevölkerung abhängig, sondern auch vom Wetter und anderen zufälligen Faktoren. So brauchen, wie Matthias Benz in der NZZ vom 3. Oktober darlegt,  die rund 600 lokalen Stromversorger mitunter Wochen und Monate, um verlässliche Daten zu liefern. Und Städte wie Zürich, Winterthur, Chur oder St. Gallen liefern gr keine Vergleichszahlen mit dem Stromverbrauch im Vorjahresmonat. Ob die Sparkampagne den Stromverbrauch tatsächlich  vermindert hat, werden wir also erst in einigen Monaten wissen. Aufgrund der vorliegenden Daten vermutet Benz, dass der Stromverbrauch im September eher zugenommen hat oder sich zumindest im Rahmen der vergangenen Jahre bewegt.)

Bürgerinnen und Bürger sollen mitreden können

Hier könnte Erlenbach vielleicht sogar eine Pionierrolle spielen, indem sie etwa einen sogenannten Bürgerrat einrichtet, eine durch Losentscheid getroffene, verpflichtende Arbeitsgruppe von Bürgerinnen und Bürgern, die, von einem externen Moderator geleitete, selbständig Fachleute beiziehen kann und innerhalb eines Jahres ein Energie-Konzept diskutiert und erarbeitet, das der Gemeinderat tel quel zur Abstimmung bringen muss. Experimente in Deutschland, Frankreich, Irland und Österreich haben gezeigt, dass solche Bürgerräte oft zu besseren und weiterreichenden Vorschlägen kommen als reine Fach- oder Politikergremien, die gewohnt sind, in konventionellen Routinen zu denken und schon im Voraus allen möglichen Schwierigkeiten aus dem Weg gehen. Da diese kollektive Meinungsbildung öffentlich erfolgt, kann das Für und Wider der einzelnen Vorschläge breiter und gründlicher diskutiert werden als an einer Gemeindeversammlung. Und weil die Bürgerinnen und Bürger mehr Zeit haben, sich mit den Argumenten, Gegenargumenten und Kompromissen auseinanderzusetzen, erhöht dies letztlich auch die Legitimität der erarbeiteten Lösung.

Christian Rentsch

Übrigens: Für Vorschläge und Ideen steht derzeit auch diese Webseite zur Verfügung. Also: Diskutieren Sie mit! Der Gemeinderat wird Ihre Meinung gewiss zur Kenntnis nehmen.