Ausser Spesen nichts gewesen?
Nach gut einjähriger Arbeit hat der Erlenbacher Gemeinderat am 25. Oktober sein neues Kommunikationskonzept verabschiedet. Es soll die Kommunikation zwischen den Behörden und der Bevölkerung verbessern, resp «weiterentwickeln». Wir fragen: Was taugt es? Und was bringt es an konkreten Verbesserungen?
Von Christian Rentsch
Dass es in den letzten Jahren in der Kommunikation zwischen den Behörden und der Bevölkerung oft geknirscht und gekracht hat, ist ein offenes Geheimnis. Der Gemeinderat hat deshalb nach einer vorausgehenden Meinungsumfrage durch das Meinungsforschungsinstitut Link die PR-Agentur Farner Consulting beauftragt, ein Kommunikationskonzept zu entwickeln und dessen Umsetzung vorzubereiten. (Wir haben hier darüber berichtet.)
Konzepte sollen, wenn sie nicht als blosse Alibiübungen gedacht sind oder gleichsam der Psychohygiene dienen, auf Mängel hinweisen und zeigen, wie man es in Zukunft besser machen will. So sollte das neue Kommunikationskonzept des Gemeinderates mindestens auf drei Fragen konkrete Antworten geben:
- Wie will der Gemeinderat, wie wollen die Behörden besser mit der Bevölkerung kommunizieren?
- Wie soll die Bevölkerung mit den Behörden kommunizieren?
- Was soll sich gegenüber dem bisherigen Zustand ändern? Was sind die konkreten Neuerungen?
Wie kommunizieren die Behörden mit der Bevölkerung?
Am Anfang stehen Grundsätze. Sie sind im vorliegenden Fall von einer fast unfassbaren Banalität. «Wir kommunizieren sachlich und ehrlich, auch über negative Sachverhalte und unbefriedigende Entwicklungen; wir kommunizieren aktiv, zeitnah und möglichst umfassend; (…) wir halten uns an Persönlichkeitsrechte, Datenschutz und Amtsgeheimnis; wir passen unsere Sprache und unsere Kommunikationsmittel denjenigen Zielgruppen an, die wir über etwas in Kenntnis setzen wollen, wir behandeln alle Mitglieder der verschiedenen Zielgruppen gleich; (…) wir achten darauf, dass wir das Ansehen der Gemeinde wahren; wir treten nach aussen mit einer einheitlichen Corporate Identity auf».
Ähnlich banal sind auch die «Grundsätze der Öffentlichkeitsarbeit»: «Die Gemeinde Erlenbach informiert die Öffentlichkeit über die Tätigkeiten der Behörden und der Verwaltung mit dem Ziel, deren Wirken nachvollziehbar zu machen und den Dialog mit den verschiedenen Anspruchsgruppen zu fördern bzw. zu pflegen.»
Ja, was denn sonst? Wobei immerhin die Frage erlaubt sei, was denn im konkreten Fall «nachvollziehbar» bedeutet. Ist es nachvollziebar, wenn die Behörden die Pacht des Bistros an der Schifflände an einen auswärtigen Gastro-Newcomer vergeben, ohne (zumindest in groben Zügen) bekanntzugeben, was denn am Konzept des auswärtigen Bewerbers so viel besser ist als am Konzept des Erlenbacher Mitbewerbers, dem Gastwirt des Fischerstübli? Oder: Ist es nachvollziehbar, wenn der Gemeindeschreiber im «Fall Meisterhans» behauptet, man habe die Bewerbung des in den USA gesuchten mutmasslichen Finanzbetrügers «eingehend geprüft», obwohl schon eine kurze Internet-Recherche ergibt, dass der Bewerber bei aller Unschuldsvermutung jedenfalls keinen unbescholtenen Leumund hat?
Die Einwegkommunikation wird zementiert
Grundsätze sind das Eine, was aber ändert sich konkret? Das Kommunikationskonzept des Gemeinderates zählt die «analogen und digitalen Kommunikationskanäle» auf, über welche die Behörden mit der Bevölkerung kommunizieren wollen. Es sind dies die offizielle Webseite «erlenbach.ch», die Publikationen in der Zürichsee-Zeitung, der Dorfbott, die Newsletters, die «separaten Mitteilungen, die den lokalen und regionalen Medien zugestellt werden», Medienkonferenzen, politische Veranstaltungen, weitere Anlässe, Gespräche («Die Behördenmitglieder zeigen sich offen für Einzelgespräche.») und weitere Kommunikationsmittel wie Broschüren, Flyer, Inserate in Zeitungen, Aushänge im eigenen Schaukasten und an Plakatstellen.
Die Fülle der Kommunikationsmittel ist beeindruckend – und vieles machen die Behörden ja auch sehr gut. Das Kernproblem aller Kommunikationskonzepte aber bleibt erstaunlicherweise unerwähnt: Wer verfügt über die Informationen? Oder konkret: das fast absolute Informationsmonopol der Behörde. Am Beispiel Dorfbott: Das Problem ist nicht, ob und dass es den vierteljährlich erscheinenden Dorfbott gibt, sondern wer über dessen Inhalt entscheidet. Es ist dies der sechsköpfige Dorfbott-Ausschuss, dem der Gemeindepräsident, drei Gemeinderätinnen, der Gemeindeschreiber und die Dorfbott-Redaktorin angehören. Also fünf Behördemitglieder und eine von ihnen abhängige Redaktorin im Angestelltenverhältnis. Damit vergibt der Gemeinderat die Chance, den Dorfbott zu einem echten Diskussionsforum für die Bevölkerung zu machen.
Ein Kommunikationskonzept hat nicht nur Ziele aufzulisten, sondern auch konkret aufzuzeigen, wie diese Ziele umgesetzt werden können.
Wie kommuniziert die Bevölkerung mit den Behörden?
Der Dorfbott wäre dann eine Chance, wenn er von einer behördenunabhängigen Redaktion geführt würde. Einzelgespräche mit Behördenmitgliedern sind eine gute Sache, bloss finden solche Gespräche nicht im öffentlichen Raum statt. Die einzige Gelegenheit, mit Kritik, Anregungen, Vorschlägen an die Öffentlichkeit zu gelangen, bieten die Leserbriefe in der Zürichsee-Zeitung und dem «Küsnachter». In der Zürichsee-Zeitung ist die Länge von Leserbriefen allerdings auf rund 80 Zeilen beschränkt. Komplexere Sachverhalte können so gar nicht kommuniziert werden.
Im neuen Kommunikationskonzept findet man ausser einigen unverbindlichen vagen Andeutungen keine Idee, wie die Bevölkerung mit den Behörden kommunizieren könnten, obwohl dies, wie wissenschaftliche Studien zeigen, ein dringendes Mittel wäre gegen die zunehmende Politikabstinenz der Bevölkerung, gegen das wachsende Misstrauen gegenüber den Behörden. Die Bürgerbeteiligung, der kommunikative Austausch mit der sogenannten «Zivilgesellschaft», mit den Parteien, Vereinen, den Kirchen, dem Handwerks- und Gewerbeverein, mit Initiativkomitees, mit den Jungen, den Alten, den Ausländern oder Asylbewerbern, all das wird in dem Kommunikationskonzept nicht einmal thematisiert. Obwohl gerade dies ein lebendiges Dorfleben ausmacht.
Gefragt sind neue Formen der Bürgerbeteiligung
Weder der Gemeinderat noch die teuren Profis der PR-Agentur, die genau solche Verbesserungen hätten anstossen müssen, liefern dazu im neuen Kommunikationskonzept neue Ideen, originelle, vielleicht unkonventionelle Vorschläge.
Das ist erstaunlich, denn die «technischen» Mittel, um die bisherige Einwegkommunikation zu durchbrechen, sind längst vorhanden. Runde Tische, Bürgerräte, Gemeindeversammlungen, an denen nicht entschieden, sondern debattiert wird, eine attraktive subventionierte, aber unabhängige Plattform, die nicht unter der Fuchtel des Gemeinderates steht, in der sich alle Interessierten, die Parteien, Vereine und Bürgergruppen äussern können, ohne selber aufwändige und schlecht gewartete Webseiten einrichten zu müssen – das sind nur einige Ideen, von denen wenigstens die eine oder andere im Kommunikationskonzept hätte vorgeschlagen werden können.
So allerdings, in der jetzigen Fassung wird das Papier schnell in irgendeiner Schublade verschwinden. Und die Behörden werden weiter so informieren, wie sie das bisher getan haben.
Christian Rentsch
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