Das Gipfelischiff, die romantische Alternative zu den vollgepackten S-Bahn-Zügen (Foto «Pro MS Etzel»)

Eine halbe Stunde Ferien auf dem Zürichsee

Für die Erlenbacher Frühaufsteherinnen und -aufsteher beginnt der diesjährige Sommer am 31. März, Punkt 7.13 Uhr am Schiffsteg Erlenbach. Und der Erlenbacher Sommeranfang hat auch einen Namen: das «Gipfelischiff  – oder: Eine halbe Stunde Ferien auf dem Zürichsee». Mit Gipfeli und Kaffee.

Allerdings: Seit die Zürichsee Schifffahrtsgesellschaft ZSG vor 13 Jahren den morgendlichen «Frühkurs 6» zugunsten einer offenbar lukrativeren Abendrundfahrt für Touristen aus dem Fahrplan gekippt hat, fährt das Gipfelischiff nicht mehr jeden Morgen, sondern nur noch sporadisch von Erlenbach nach Zürich.

Übriggeblieben sind insgesamt 15 Fahrten. Sie werden nicht mehr von der ZSG ausgerichtet werden, sondern vom privaten Trägerverein «Gipfelischiff» in Kooperation mit der ebenfalls privaten Genossenschaft «Pro MS Etzel». Die Fahrten sind gratis; für Nichtmitglieder des Vereins wartet  ein kleiner Spendentopf auf einen freiwilligen Beitrag.

Und das sind die Termine, die man sich merken muss

  • 31. März
  • 14. und 28. April
  • 12. Mai
  • 2., 16. und 30. Juni
  • 14. und 28. Juli
  • 11. und 25 August
  • 8. und 22 September
  • 6. Oktober
  • 1. Dezember (Chlausenfahrt)

Der Kurs führt jeweils ab Erlenbach (17.13h) über Heslibach (7.18h), Küsnacht (7.27h), Goldbach (7.31h), Zollikon (7.37h) und Zürichhorn (7.46h) und endet Punkt 8 Uhr am Bürkliplatz.

20 Jahre Proteste, Beschwerden, Rekurse und Gerichtsverfahren

Zu verdanken ist das Gipfelischiff dem Engagement, der Hartnäckigkeit und Ausdauer einiger Erlenbacher und Herrliberger Seebewohner, die sich einfach nicht damit abfinden wollten, dass die mächtigen Herren der ZSG ihnen die halbe Stunde Ferien vor dem Arbeitsbeginn in Zürich wegnehmen wollten. Man schrieb, man glaubt es kaum, das Jahr 1978, als die ZSG erstmals den sogenannten «Frühkurs 6», der vom Bürkliplatz über das linke Seeufer bis Thalwil und ab Erlenbach wieder nach Zürich führte, aus seinem Fahrplan strich. So gründeten sie  den Verein «Aktion rechtsufriges Frühschiff» (Aruf). Und hatten gleich zu Beginn einen ersten Erfolg: 1980  wurde die morgendliche Rundfahrt entlang der beiden Ufer wieder eingeführt.

Doch die ZSG liess es nicht dabei bewenden; sie forderte als Minimalbedingung für die Weiterführung des Kurses eine Durchschnittsfrequenz von 30 Personen. Aber obwohl diese Bedingung in den folgenden Jahren bei weitem übertroffen wurde, strich die ZSG 1997 zuerst den linksufrigen Teil der Route. Und 2009, nach heftigen Protesten der Aruf, Demarchen der betroffenen Gemeinden beim Zürcher Verkehrs- und Regierungsrat und vergeblichen Rekursen bis hin zum Bundesgericht, auch den rechtsufrigen Betrieb.

Doch statt kleinbeizugeben, nahm die Aruf die Sache nun selber in die Hand: Seit mittlerweile 13 Jahren (mit einigen kleinen Unterbrüchen etwa während der Corona-Zeit) organisiert der Verein Gipfelischiff in Kooperation mit dem Verein «Pro MS Etzel» die frühmorgendlichen Fahrten in eigener Regie. Wenn auch halt nur noch in abgespeckter Form.

Dabei traf es sich im Unglück immerhin gut, dass der Verein «Pro MS Etzel» einige Jahre zuvor das ausgemusterte Motorschiff «Etzel» der ZSG zu einen symbolischen Preis abkaufen und so vor der Verschrottung retten konnte. Und seither die Etzel als Charter- und Partyschiff  betreibt.

Die «Etzel» gehörte 1939 zu den Attraktionen der Landesausstellung

Denn die 1934 in Betrieb genommene «Etzel» ist mehr als nur ein 88jähriges schrottreifes Alteisen; sie ist ein wichtiges Stück Zürcher Industriegeschichte und gehörte 1939 zusammen mit den drei Landi-Schiffen «Halbinsel Au», «Möve» und «Speer», die   Ende der 1990er Jahre ins Ausland verkauft wurden, zu den Publikumsmagneten der Landesausstellung von 1939.

Inzwischen ist die Etzel mehrmals umsichtig und gleichsam «denkmalschützerisch» renoviert worden, zum letzten Mal vor drei Jahren mit einem Aufwand von rund einer Million Franken. Dabei wurden nicht bloss Teile der Schiffsschale erneuert, sondern auch die frühere Innenausstattung originalgetreu wieder hergestellt.

Übrigens: Beide Vereine sind auf Spenden angewiesen und freuen sich auch über neue Mitglieder. Die Mitgliedschaft beim Verein Gipfelischiff kostet 20 Franken, diejenige bei der Genossenschaft «Pro MS Etzel» 50 Franken (Gönnerbeitrag 250 Franken.