Der SBB-Koloss ist weg, jetzt geht es aber um den Gestaltungsplan
Die Erlenbacher Stimmbürgerinnen und Stimmbürger haben am vergangenen Sonntag die Initiative zur «Aufhebung des öffentlichen Gestaltungsplans Bahnhof» deutlich angenommen. Wie geht es jetzt weiter?
Am Resultat von 1434 Ja-Stimmen gegen 456 Nein-Stimmen erstaunt eigentlich nur das überdeutliche Stimmenverhältnis, mit dem die umstrittene Initiative angenommen worden ist. Dass eine Mehrheit der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger den monströsen SBB-Koloss ablehnt, war schon an der Gemeindeversammlung im Juni offensichtlich. Der Versuch des FDP-Vorstands, den Beschluss der Gemeindeversammlung mit einer Urnenabstimmung zu kippen, ist missglückt. Kein Wunder, denn selbst in der FDP waren viele gegen den gültigen Gestaltungsplan. Ja sogar im neuen Gemeinderat, so pfiffen es die Spatzen von den Dächern, hielt sich die Begeisterung für SBB-Koloss und Gestaltungsplan in engen Grenzen. Es gab einfach keine wirklich triftigen Gründe, am missglückten Gestaltungsplan aus dem Jahr 2012 weiter festzuhalten.
Wie es nun weitergeht
Juristisch gilt die Initiative als sogenannte Planungsinitiative, also nur als «allgemeine Anregung». Deren Absicht ist zwar für den Gemeinderat verbindlich; da sie aber «zu wenig konkret gefasst ist, als dass sie unmittelbar vollzogen werden könnte», muss der Gemeinderat jetzt innerhalb von 12 Monaten eine sogenannte «Umsetzungsvorlage» ausarbeiten und in die Vernehmlassung schicken, damit die Stimmbürger in spätestens 18 Monaten, also im Mai 2025, darüber abstimmen können. Bis dahin ist weiterhin der jetzt verworfene Gestaltungsplan Bahnhof gültig.
Noch ein weiter Weg
Allerdings: Obwohl die Absicht der Initiative, die Aufhebung des Gestaltungsplans, völlig klar ist und einfach scheint, ist ihre Umsetzung alles andere als bloss eine formale Pflichtübung. Denn die entsprechende Sonderbauzone Bahnhofstrasse ist eben keine einsame Insel, sondern steht in vielerlei Hinsicht in unmittelbarer Verbindung mit den umliegenden Zonen.
Konkret: Die SBB wird, wenn auch etwas reduzierter, vermutlich Wohnungen bauen wollen. Da die Migros-Überbauung ohnehin kommt, wird das Parkplatzproblem zusammen mit den P+R-Plätzen und den Parkplätzen der verkleinerten SBB-Überbauung weiter bestehen bleiben. Die Bahnhofstrasse wird nicht plötzlich zur fast autolosen Flaniermeile, die Probleme der Verkehrsführung bleiben also bestehen.
Das heisst: Die Verkehrserschliessung, das Parkplatzregime, die Gebäudenutzung, einige Teile der BZO müssen neu geplant und angepasst werden. Zudem muss der Umsetzungsplan dem Kanton zur Prüfung vorgelegt werden, ob und inwieweit die veränderten Verhältnisse nach Aufhebung des Gestaltungsplans noch den kantonalen Richtplänen und Verordnungen entsprechen.
So wird das Thema der Gemeinde noch eine ganze Weile erhalten bleiben. Sicher ist nur, dass der SBB-Koloss in seiner geplanten Grösse nicht gebaut werden kann.
Die Initianten haben Mitsprache, aber keine Mitbestimmung
Selbstverständlich versichert der Gemeinderat in seinem Communiqué zur verlorenen Abstimmung, dass es ihm ein Anliegen sei, «den Willen der Stimmbevölkerung so getreu wie möglich umzusetzen». Er will deshalb «den Überarbeitungsprozess gemeinsam mit den Initianten und weiteren Betroffenen durchführen». Die Frage bleibt offen, inwiefern die beiden federführenden Gemeinderäte, welche im vorherigen Gemeinderat die Initiative zuerst für ungültig erklären wollten, bis der Bezirksrat sie zurückpfiff, und die danach die Initiative bis zum Schluss vehement bekämpften, sich nun mit gleicher Leidenschaft für das Gegenteil einsetzen werden.
Und klar ist auch: Die Initianten haben zwar gegen den Gemeinderat gewonnen, aber dieser ist letztlich allein zuständig für die Ausarbeitung des Umsetzungsplans. Es liegt in seinem freien Ermessen, mit wem und inwieweit er mit den Initianten zusammenarbeiten will. Diese haben soweit Mitsprache, wie der Gemeinderat es will; ein Recht auf Mitbestimmung aber haben sie nicht.
Christian Rentsch
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