Hat der Erlenbacher Gemeinderat etwas zu verbergen?

Vor rund einem Jahr hat sich der Gemeinderat ein neues Kommunikationskonzept gegeben. Es soll, so die Absicht, die Kommunikation zwischen den Behörden und der Erlenbacher Bevölkerung verbessern, indem es  «zeitnah, aktiv, transparent und möglichst umfassend» informiert. So richtig scheint das aber noch nicht zu klappen.

Am 28.November, wenige Tage nach der Abstimmung über den Gestaltungsplan Bahnhofstrasse, warf der Erlenbacher Raymond Stark in der Zürichsee-Zeitung dem Gemeinderat vor, er erteile seit Jahren dem Planungsbüro Suter/von Känel/Wild «freihändig» Aufträge, die er gemäss der kantonalen Submissionsverordnung eigentlich öffentlich ausschreiben müsste. Überdies, so Stark in seinem Leserbrief, sei das Planungsbüro nicht nur für die Gemeinde Erlenbach tätig, sondern zugleich auch für die SBB Immobilien AG, die Bauherrin der umstrittenen SBB-Überbauung.

Der Gemeindepräsident: «Alles paletti!»

Bereits einen Monat vorher hat Forum Erlenbach den Gemeinderat in der gleichen Sache um Auskunft gebeten. Die Antwort des Gemeindepräsidenten Philippe Zehnder war wenig aufschlussreich. «Aufträge werden immer spezifisch vergeben und je nach Schwellenwert nach den gesetzlichen Vorschriften ausgeschrieben. Der Auftrag für die Teilrevision der Ortsplanung, welcher hier wahrscheinlich gemeint ist, (CHF 140’000 inkl. MwSt.) wurde vom Gemeinderat mit Beschluss vom 07. Juli 2020 an das Planungsbüro Suter/von Känel/Wild vergeben.»

Auf die eigentliche Frage, ob der Gemeinderat allenfalls gegen die kantonale Submissionsverordnung verstossen habe, gab der Gemeindepräsident aber keine konkrete Antwort. Vermutlich nicht ganz ohne Grund, denn gemäss der Submissionsverordnung dürfen zwar Dienstleistungsaufträge unter 150’000 Franken ohne öffentliche Ausschreibung vergeben werden, aber: «Besteht zwischen einer Mehrzahl von Liefer- und Dienstleistungsaufträgen ein enger rechtlicher oder sachlicher Zusammenhang, müssen diese zusammengerechnet werden.»  Damit soll verhindert werden, dass grosse Auftrage einfach so gestückelt werden, dass sie nicht ausgeschrieben werden müssen. Das Planungsbüro Suter/von Känel/Wild ist aber seit vielen Jahren mit fast allen Planungen der Gemeinde befasst.

Die Gemeindeschreiberin: «Nichts hinzuzufügen»

Auf die nochmalige Bitte um eine konkrete Antwort regierte der Gemeindepräsident nicht mehr. Und die neue Gemeindeschreiberin Adrienne Suvada schrieb: «Ich kann den Antworten unseres Gemeindepräsidenten nichts weiter hinzufügen.»

In der Folge verlangte Forum Erlenbach von der Gemeindeverwaltung eine Zusammenstellung aller Aufträge an das Planungsbüro Suter/von Känel/Wild während der vergangenen fünf Jahre. Wieder blieb die Antwort vage. Die Anfrage, so die Antwort der Gemeindeschreiberin, überschreite das «Mass einer normalen und in der Regel formlosen Medienanfrage»; die entsprechenden Unterlagen seien «teilweise bereits archiviert». Überdies müsse geprüft werden, «wo ein Schutz eines Vertragspartners» bestehe.

Das ist eine eher erstaunliche Antwort, denn im Computerzeitalter, das vermutlich auch in der Erlenbacher Gemeindeverwaltung seit einigen Jahrzehnten Einzug gehalten hat, müsste es dank umfassender Suchfunktionen ein Leichtes sein, ohne grossen Arbeitsaufwand selbst bereits «archivierte» Unterlagen in kürzester Zeit zusammenzustellen. Und: Das im «Gesetz über die Information und den Datenschutz» geregelte sogenannte «Öffentlichkeitsprinzip» listet zwar vier Ausnahmen auf, wo die Verwaltung keine Auskunft erteilen muss; die Erteilung von Planungsaufträgen gehört aber nicht dazu.

Keine Interessenkonflikte?

Man kann diese Anfrage wie der Gemeindepräsident und die Verwaltung als lästige kleine Bagatelle abtun. Ist sie aber nicht, ebensowenig wie der zweite Einwand, dass das Planungsbüro Suter/von Kälin/Wild sowohl die Gemeinde Erlenbach wie auch die SBB Immobilien AG berät, also in den Verhandlungen um die SBB-Überbauung gleichsam auf beiden Seiten des Verhandlungstisches sitzt, was zwangsläufig zu Interessenkonflikten führt.

Auch in diesem Fall wollten weder der Gemeindepräsident noch die Gemeindeschreiberin konkret Stellung beziehen. «Einen Konflikt zwischen der SBB und unserer Gemeinde Erlenbach sehe ich momentan nicht», schrieb die Gemeindeschreiberin Adrienne Suvada, «wir pflegen einen professionellen und guten Austausch.» Dass der Interessenkonflikt in der Sache liegt und nicht in der Art des Austausches, liegt allerdings auf der Hand.

Transparente, umfassende Information. Ja, bitte sehr!

Dass sich die Kommunikation zwischen den Behörden und der Bevölkerung nicht allein schon deswegen verbessert, weil in irgendeiner Schublade ein wohlklingendes Kommunikationskonzept vor sich hinschlummert, konnte man schon ahnen, als das Konzept vor einem Jahr beschlossen wurde.  Gut sechs Wochen hat sich der Gemeinderat bis jetzt um klare Antworten auf zwei  kleine Anfrage herumgedrückt. Jetzt aber hat er sich, hört man aus gut unterrichteten Kreisen, doch noch mit dem nicht ganz unheiklen Problem beschäftigt. Man darf also gespannt sein, was dabei herausgekommen ist. Transparent, zeitnah, relevant und möglichst umfassend, heisst es im Kommunikationskonzept, will der Gemeinderat die Bevölkerung informieren. Wir meinen: Ja, bitte sehr!

Christian Rentsch