Der Erlenbacher Gemeindepräsident hat kein Interesse mehr an «Tina», dem von Tina Turner getauften Rettungsboot der Küsnachter und Erlenbacher Seeretter
Warum weigerte sich der Erlenbacher Gemeinderat ein ganzes Jahr lang, die Bevölkerung über eine nicht ganz unwichtige Vertragskündigung zu informieren?
Aktualisiert am 30. September und 1. Oktober
Nur dank einer Indiskretion erfuhr die Erlenbacher Bevölkerung vor ein paar wenigen Tagen, dass Erlenbach nach einem ganzen Jahr ergebnisloser Verhandlungen am kommenden Dienstag (1. Oktober) aus dem Vertrag mit Küsnacht über den gemeinsamen Seerettungsdienst Küsnacht-Erlenbach aussteigt. Auf eine Petition von über 530 Erlenbacherinnen und Erlenbacher hat der Gemeinderat bisher nicht reagiert.
Man wundert sich: Vor knapp zwei Jahren hat der Erlenbacher Gemeinderat nach einer Reihe von Informationspannen ein neues Kommunikationskonzept verabschiedet, das die Kommunikation zwischen den Behörden und der Bevölkerung verbessern resp. «weiterentwickeln» sollte. Vor allem, so heisst es in den hehren Vorsätzen, soll die Bevölkerung «aktiv, zeitnah und möglichst umfassend über die Tätigkeiten der Behörden und der Verwaltung informiert werden».
Und jetzt das: Wie man kürzlich (am 18. September) in der Zürichsee-Zeitung lesen konnte, hat der Gemeinderat vor gut einem Jahr heimlich den Vertrag mit der Gemeinde Küsnacht über den Seerettungsdienst Küsnacht-Erlenbach gekündigt. Also ohne die Bevölkerung von sich aus «aktiv, zeitnah und möglichst umfassend» zu informieren.
Noch erstaunlicher: Dass die Erlenbacher Bevölkerung nach einem vollen Jahr der Geheimhaltung wenigstens einige wenige Tage vor dem Kündigungstermin von dieser nicht ganz unwichtigen Sache erfuhr, verdankt sie nicht einer offiziellen Information des Gemeinderates auf dem Onlineportal, sondern schlicht einer Indiskretionen. Ohne diese Indiskretion wüssten die Erlenbacherinnen und Erlenbacher möglicherweise bis heute nichts von der vor einem Jahr erfolgten Kündigung.
Aktuelle, zeitnahe und umfassende Information geht anders. Denn immerhin geht es beim Betrieb des Seerettungsdienstes um etwas mehr als um die Anschaffung eines neuen Teekochers im Gemeindehaus.
«Leider keine Einigung gefunden»
Als die Zürichsee-Zeitung aufgrund dieser Indiskretion am 17. September bei Gemeindepräsident Philippe Zehnder Auskunft über die Gründe dieser Vertragskündigung verlangte, reagierte dieser mit verbalen Nebelgranaten ohne wesentlichem Informationsgehalt. Man habe, so Zehnder, die Gemeinde Küsnacht um Neuverhandlungen über die vertraglichen Bedingen der Zusammenarbeit gebeten: «Seither haben wir uns um eine akzeptable Lösung bemüht, konnten aber bis heute leider keine Einigung finden.»
Auch als der ehemalige Gemeinderat und damals für den Seerettungsdienst verantwortliche Sicherheitsvorstand Jens Menzi am 19. September eine Petition für die weitere Zusammenarbeit mit Küsnacht startete, die innert weniger Tage über 530 Unterschriften zusammenbrachte, fühlte sich der Gemeinderat nicht bemüssigt, offiziell Stellung zu nehmen. In einer privaten Mail an Menzi beschied der Gemeindepräsident kurz und unfreundlich: «Der Gemeinderat hat sich bereits über den Seerettungsdienst beraten. Das Thema wird vorderhand nicht mehr traktandiert.»
Auf eine Anfrage von Forum Erlenbach vom 22. September reagierten Gemeindepräsident Zehnder und die Gemeindeschreiberin Adrienne Suvada zuerst gar nicht. Auf Nachfrage antwortete die Gemeindeschreiberin, dass man «aktuell mit der Rad-WM beschäftigt und dadurch sehr ausgelastet» sei.
Es geht irgendwie um Geld und Mitbestimmung
Etwas mehr Zeit nahm sich der ausgelastete Gemeindepräsident einige Tage später für meinen Kollegen Daniel J. Schütz vom Küsnachter. Irgendwie, so kann man aus den Wehklagen und dem Geschwurbel herauslesen, geht es um Geld, um den Beitrag der Gemeinde Erlenbach an die Betriebskosten und/oder um die Sanierung des Seerettungsgebäudes in Küsnacht. Und irgendwie auch darum, dass Erlenbach nach Meinung von Zehnder in dem Verbund zu wenig Mitbestimmung habe. Was der für den Seerettungsdienst zuständige Küsnachter Gemeinderat Claudio Durisch allerdings bestreitet: Man habe Erlenbach das gleiche Mitspracherecht angeboten wie bei anderen gemeinsamen Unternehmungen, etwa dem Zivilschutzverbund, der Wasserversorgung oder dem Seewasserklärwerk. Und auch das: Sollte es bis zum 1. Oktober keine Einigung geben, so Durisch, habe man Erlenbach eine Fristerstreckung angeboten. Nach neunzig Jahren erfolgreicher Zusammenarbeit müsste eine Einigung doch möglich sein.
Nichts da, meint Philippe Zehnder, der offenbar einen Verbund mit dem Seenotrettungsdienst Horgen anstrebt: «Bis zum 1. Oktober haben wir eine Lösung – so oder so.» Eine Fortsetzung der Zusammenarbeit mit Küsnacht hat er damit allerdings nicht gemeint.
Es bleiben einige Fragen
Was immer bisher in der Zürichsee-Zeitung und im Küsnachter über diese Seldwyler Geschichte zu lesen war, es bleiben einige nicht unwesentliche Fragen.
Zu einen: Warum konnte man sich nach 90jähriger bestens funktionierenden Zusammenarbeit über die vergleichsweise geringen Betriebskosten und über den Betrag, den Erlenbach an die Sanierung des Bootshauses leisten sollte, nicht einigen? Warum fanden zwei erwachsene Behördemitglieder während eines ganzen Jahres keine einvernehmliche Lösung für eine weitere Zusammenarbeit? Und das, obwoh beide Seiten (zumindest in der Öffentlichkeit) Bereitschaft dazu signalisieren? Warum weigern sich der Gemeindepräsident Philippe Zehnder und die neue Gemeindeschreibererin Adrienne Suvada, auf ganz konkrete Fragen ganz konkrete Antworten zu geben?
Und: Warum hielt der Gemeinderat diese für die Bevölkerung nicht ganz unwichtige Angelegenheit, während eines ganzen Jahres geheim? Warum vermochte nicht einmal eine gezielte Indiskretion, Nachfragen der Zürichsee-Zeitung, des Küsnachters und von Forum Erlenbach, ihn zu einer umfassenden offiziellen Stellungnahme zu bewegen? Es mag ja sein, dass es in irgendeiner Verordnung irgendeinen Paragrafen als juristisches Schlupfloch für diese Geheimniskrämerei gibt, aber: Für eine Behörden, die in ihrem Kommunikationskonzept verspricht, sachlich und ehrlich, aktiv und möglichst umfassend auch über negative Sachverhalte und unbefriedigende Entwicklungen zu informieren, ist ein solches Verhalten wohl kaum zu rechtfertigen.
Und es klingt fast wie ein Hohn, wenn der Gemeindepräsident nach all diesen Geheimhaltungs- und Verwedelungs-Manövern einem Fragesteller privat zurückschrieb: «Es versteht sich von selbst, dass der Gemeinderat seinen Entscheid nachvollziehbar begründen wird.» Auf diese nachvollziehbare Begründung wartet man allerdings bis heute vergeblich.
Christian Rentsch
Aktueller Nachtrag
Am 30. Spetember, also am allerletzten Tag, bevor der Vertrag mit der Gemeinde Küsnacht auslief entschloss sich der Erlenbacher Gemeinderat dann doch noch zu einer offiziellen Mitteilung auf dem Online-Portal der Gemeinde. Leider steht in der der gemeinderätlichen Stellungnahme nichts, was man als Leserin oder Leser der Zürichsee-Zeitung, des Küsnachters oder dieses Forums nicht eh schon weiss und die Spatzen längst von allen Erlenbacher Hausdächern pfeifen.
Mit einer kleinen Ausnahme: Laut der Mitteilung sind die Verhandlungen mit dem Seerettungsdienst Horgen nicht erst im Gang, sondern soweit abgeschlossen, dass Horgen ab 1. Oktober die Seerettungen vor Erlenbach übernimmt, und der Vertrag mit Horgen am 1. Januar 2025 definitiv in Kraft tritt.
Über die wirklichen Hintergründe, warum es zu keiner Einigung zwischen Küsnacht und Erlenbach gekommen ist, liest man in der Mitteilung allerdings nichts; es sei denn, man glaubt dem Gemeinderat, dass dieser die gut funkti0nierende Zusammenarbeit wegen einiger zehntausend Franken aufgekündigt habe. Und selbst diese Begründung wird vom Küsnachter Gemeinderat offiziell bestritten. In einer Presseerklärung liefert Küsnacht erstmals genauere Zahlen; sie zeigen, dass Erlenbach trotz einem Kostenbeitrag an die Sanierung des Bootshauses insgesamt vermutlich sogar besser gefahren wäre als bisher. (Und immerhin zur Erinnerung: Erlenbach, die reichste Gemeinde des reichen Kantons Zürch, verzeichnet seit Jahren Steuereinnahmen, die jeweils um mehrere Millionen über dem schon grosszügig geschätzten Budget liegen. Die Kosten für den gemeinsamen Seerettungsdienst können wohl kaum als stichhaltiges Argument für die Vertragskündigung angeführt werden.)
Und schliesslich geht die gemeinderätliche Mitteilung auch mit keinem Wort auf die Petition von Ex-Gemeinderat Jens Menzi und den über 530 Mitunterzeichnenden ein. Man fragt sich: Ist das der im Kommunikationskonzept versprochene verbesserte Dialog mit der Bevölkerung? Oder könnte es gar sein, dass der Gemeindepräsident, der von seinem Kumpel Lukas Hässig im Online-Finanzportal «Inside Paradeplatz» zum «Sheriff von Erlenbach» aufgeblasen wurde wurde, an dieser Rolle inzwischen echt Gefallen gefunden hat?
Auf jeden Fall wartet man immer noch darauf, dass der Gemeinderat, wie versprochen, irgendwann seinen Entscheid «nachvollziehbar» begründen wird..
Christian Rentsch
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