Der Gemeinderat entscheidet sich für eine Luftnummer

Fast wäre auch die «Friedau» verkauft worden.

Der Coup des (alten) Gemeinderates, vor der Amtsübergabe an den neuen Gemeinderat noch  schnell die zukünftige Liegenschaftenkommission zu wählen, ist gescheitert.

Allerdings: Was uns der Gemeinderat jetzt als «optimale Lösung» und die Zürichsee-Zeitung als «Entgegenkommen»  verkaufen wollen, ist nichts anderes als eine Null-Lösung.

Die Liegenschaftenkommission, eine für die Entwicklung der Gemeinde nicht ganz unwichtige Kommission, besteht aus sieben Mitgliedern: zwei Gemeinderäten, einem Vertreter der Schulpflege und vier vom Gemeinderat gewählten Mitgliedern. In der derzeitigen Kommission  ist «Die Mitte» mit dem Liegenschaftenvorstand Peter Keller, Schulpfleger Silvano Matthaei und Axel König, bescheiden formuliert, sehr gut vertreten; der Freisinnige Jürg Honegger sicherte bisher die rechtsbürgerliche Mehrheit ab.

(Korrektur: Gemeinderat Peter Keller hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass die Liegenschaftenkommission faktisch bloss aus sechs Mitgliedern besteht, da das siebte Mitglied, der Protokollführer, nicht stimmberechtigt ist. Richtig ist auch sein Einwand, dass drei Mitglieder der  derzeitigen Kommission nicht vom Gemeinderat eingesetzt, sondern von den Stimmbürgern gewählt worden sind. Das widerlegt allerdings nicht meine Feststellung, dass die Mitte-Partei und die FDP in der Kommission in der Mehrheit sind. Im Gegenteil:  Die Mehrheit von Mitte/FDP  beträgt nicht vier von sieben, sondern sogar vier von sechs Mitgliedern.)

Da der Gemeinderat diese Mehrheit durch den starken Auftritt des Wahlbündnisses «Frischer Wind» gefährdet sah, entschloss er sich im April, die Liegenschaftenkommission für die kommenden vier Jahre noch schnell in seinem Sinn neu zu besetzen. Man braucht kein gewiefter Parteistratege zu sein, um zu ahnen, dass es bei der Evaluation nicht bloss um die Fachkompetenz der Bewerberinnen und Bewerber ging, sondern auch darum, zu verhindern (oder zumindest zu erschweren), dass der neue Gemeinderat in den kommenden Jahren eine andere Liegenschaftenpolitk betreibt. Das Selbstverständlichste, dass ein neuer Gemeinderat seine Kommissionen selber wählen kann und will, wurde mit obskuren Terminproblemen unter den Tisch gewischt.

Protest der Grünliberalen, Grünen und der SP – und die Reaktion des Gemeinderates

Gegen diesen doch etwas allzu offensichtlichen Trick, die bisherige, höchst umstrittene Liegenschaftenpolitik in die neue Amtsperiode hinüberzuretten, wehrten sich die Grünliberalen, Grünen und die SP zu Recht. «Schliesslich», schrieben sie in einem gemeinsamen Brief, «wird es der neuen Gemeinderat sein, der in der kommenden Amtszeit mit der Kommission zusammenarbeiten und die Verantwortung für das Ressort Liegenschaften tragen muss.»

Darauf hat jetzt der Gemeinderat reagiert. Auf Anfrage sagt der scheidende Gemeindepräsident Sascha Patak der Zürichsee-Zeitung: «Der Gemeinderat hat vier Personen als Mitglieder für die neue Liegenschaftenkommission ausgewählt, hat sich aber entschieden, diese Mitglieder nicht selber zu wählen, sondern dem neuen Gemeinderat zur Wahl vorzuschlagen.»

Das ist, mit Verlaub, eine reine Luftnummer. Denn: Wenn man davon ausgeht, dass die Mitglieder des neuen Gemeinderates eigenständig denkende Menschen sind, die gewillt und in der Lage sind, eigene politische Entscheidungen zu treffen, dann brauchen sie gewiss keine Empfehlungen und Ratschläge derjenigen, welche die Erlenbacher Liegenschaftenpolitik während der vergangenen Jahre in den Sand gesetzt haben.

Wo ist der Kompromiss bei diesem «Kompromiss»?

Der Gemeinderat führt mit dieser Null-Lösung alle Beteiligten in eine Sackgasse: Lehnen die neuen Gemeinderätinnen und -räte die vorgeschlagene «Auswahl» ab, blamieren sie den alten Gemeinderat; lassen sie sich diesen «Kompromiss» aber bieten, blamieren sie sich selbst. Und unangenehm wird es auch für die vier Aus-, aber noch nicht Gewählten – sie befinden sich gleichsam auf einem wackeligen Schleudersitz. Unklar bleibt auch die Frage, ob die «ausgemusterten» Bewerberinnen und Bewerber noch einmal eine Chance bekommen, sich erneut zu bewerben. Denn das wäre ja die Voraussetzung, dass der neue Gemeinderat die Kommission mit anderen Personen besetzen könnte als den «Ausgewählten».

Ungeklärt bleibt auch, was die Zürichsee-Zeitung meint, wenn sie schreibt, der Gemeinderat sei den Linksparteien «entgegengekommen».  Und ebenso unklar ist auch, was die CO-Präsidentin der SP meint, wenn sie sagt, «ein Kompromiss sei das einzig Vernünftige». Denn was ist ein einseitig proklamierter   «Kompromiss» wert, der letztlich völlig unverbindlich bleibt, weil der zukünftige Gemeinderat ohnehin machen kann, was er will? Wäre es nicht vernünftiger, wenn der alte Gemeinderat seinen Entscheid zurücknähme und  es dem künftigen Gemeinderat überlassen würde, die neuen Kommissionsmitglieder selber und ohne Geschubse auszusuchen und zu wählen?

Christan Rentsch